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Vorstellung der Zahlen kindlicher Gewaltopfer – Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2019

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(wS/red) BRD 12.05.2020 | Ausführlicher Bericht des Bundeskriminalamtes und Statistik für 2019

Im vergangenen Jahr wurden 112 (2018: 136) Kinder Opfer eines vollendeten Tötungsdelikts. Die PKS dokumentiert 46 (2018: 70) vorsätzliche und 66 (2018: 66) fahrlässige Tötungen. Der überwiegende Teil der Opfer, nämlich 93 (2018: 108) Kinder, war jünger als sechs Jahre.
Die Zahl der vollendeten Misshandlungen von Kindern ist 2019 auf 4.055 Opfer (2018: 4.129) leicht gesunken (-2%), bleibt aber in etwa auf dem Niveau der Vorjahre (über einen Zeitraum von 10 Jahren immer um die 4.000 Opfer). Auch bei der sexuellen Gewalt gegen Kinder bewegen sich die Opferzahlen schon seit Jahren auf einem konstant hohen Niveau. 2019 stieg die Zahl der Kinder, die als Opfer von sexueller Gewalt (einschl. Versuche) registriert wurden, sogar um 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 15.936 (2018: 14.606). Das bedeutet, dass 2019 jeden Tag durchschnittlich 43 Kinder Opfer von sexueller Gewalt wurden. Gestiegen sind auch die Zahl der Opfer sexuellen Missbrauchs von 14.410 in 2018 auf 15.701 (+9%) sowie die Zahl der Opfer von Vergewaltigung und Nötigung von 196 in 2018 auf 235 (+20%).

Diese zahlenmäßigen Anstiege setzen sich im Bereich Herstellung, Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie fort – was uns erneut deutlich vor Augen führt, dass hinter jedem ins Internet eingestellten Material der reale Missbrauch eines Kindes steht. Im Internet wird der Missbrauch der Opfer grenzenlos und dauerhaft fortgesetzt. Denn was einmal im Netz ist, verbreitet sich schnell und kann kaum wieder gelöscht werden.

Zu den Zahlen:

Im Jahr 2019 wurden 12.262 Fälle (2018: 7.449) von Herstellung, Besitz und Verbreitung kinderpornografischer Schriften in der PKS erfasst. Das entspricht einem Zuwachs von fast 65 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Die Fallzahlen des strafbaren Einwirkens auf Kinder mit technologischen Mitteln (§ 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB) sind mit 3.264 Fällen in 2019 im Vergleich zum Vorjahr (2018: 2.439) um fast 34 Prozent signifikant gestiegen. Einen Großteil dieser Fälle macht seit einigen Jahren das sogenannte Cybergrooming aus. Beim Cybergrooming werden Kinder im Netz gezielt zur Anbahnung sexueller Interaktionen angesprochen; beispielsweise über sexuelle Chatgespräche, den Austausch von Bildern oder per Videochat.

Auffällig ist, dass unter den Tatverdächtigen ein steigender Anteil von jugendlichen Tatverdächtigen zu verzeichnen ist: Im Bereich der Kinderpornografie waren 41 Prozent der Tatverdächtigen unter 21 Jahren (26% in 2018), 23 Prozent (13% in 2018) zwischen 14 und 18 Jahren, und 12 Prozent unter 14 Jahren (8% in 2018 ).
Hierzu ist anzumerken, dass Jugendliche und junge Erwachsene immer häufiger kinderpornografische Videos per Messenger Dienste, z. B. WhatsApp, Facebook etc. untereinander austauschen: allerdings oft nicht aus pädosexuellen Motiven, sondern ohne sich offenbar ausreichende Gedanken über den kinderpornographischen Charakter der geteilten Dateien und die strafrechtlichen Folgen zu machen.

Wie ist der Anstieg der PKS-Zahlen im Bereich des sexuellen Missbrauchs und der Kinderpornografie insgesamt zu begründen?
Wie schon in den vergangenen Jahren stammt eine Vielzahl der Hinweise auf Kinderpornografie vom US-amerikanischen National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC). 2019 übermittelte das NCMEC dem BKA rund 62.000 Hinweise (Vorjahr: 70.000 Hinweise) mit Deutschlandbezug. Aus diesen 62.000 Hinweisen ergaben sich 21.600 Fälle, die im BKA mit dem Ziel bearbeitet wurden, Ermittlungsverfahren einzuleiten. Das ist ein ähnlich hohes Niveau wie im Vorjahr.
Die Zusammenarbeitsprozesse mit dem NCMEC und die Abläufe im BKA sind inzwischen so weit optimiert, dass Hinweise durch das NCMEC schnellstmöglich an das BKA übermittelt, bearbeitet, weitergeleitet und von den Strafverfolgungsbehörden der Länder gezielt verfolgt werden können werden. Der Hauptgrund für den starken Anstieg ist: Die Bundesländer haben sich auf den höheren Eingang besser eingestellt. Die PKS ist eine Ausgangsstatistik und zeigt, was wirklich im letzten Jahr bearbeitet werden konnte.
Wie wertvoll eine optimale Zusammenarbeit mit dem NCMEC ist, zeigt der folgende Fall: Das BKA erhielt 2019 vom NCMEC einen Hinweis auf den sexuellen Missbrauch eines Kindes. Der Täter hatte eine Missbrauchshandlung live über ein soziales Netzwerk hochgeladen. Anhand der vorliegenden IP-Adresse konnte der Anschluss der Schwester des Tatverdächtigen zugeordnet und in den nachfolgenden Ermittlungen der Täter selbst innerhalb von wenigen Tagen identifiziert und festgenommen werden.

Hierbei handelte es sich um einen 17-jährigen, der bislang polizeilich nicht in Erscheinung getreten war. Er hatte den 7-jährigen Sohn seiner Schwester in deren Wohnung sexuell missbraucht und den Missbrauch live gestreamt, nachdem er dazu von einem Chatpartner aufgefordert worden war.
Die vorliegende IP-Adresse wurde am Tag des Eingangs der NCMEC-Meldung beim Provider angefragt, so dass bei diesem noch Bestandsdaten vorhanden waren. Wäre die Meldung nur zwei Tage später beim BKA eingegangen, wäre dieser Ermittlungsansatz weggefallen. Die Identifizierung wäre wesentlich erschwert, wenn nicht sogar verhindert worden und beispielsweise nur noch durch eine aufwendige Öffentlichkeitsfahndung möglich gewesen. Zudem hätte die Gefahr bestanden, dass weitere Missbrauchsfälle an dem Jungen verübt worden wären.
Dennoch war 2019 bei jedem zehnten (2.100 Fälle) der 21.000 im BKA bearbeiteten Fälle die mitgelieferte IP-Adresse – als einziger Ermittlungsansatz – nicht abfragbar (2018: 4.000 Fälle). Der Grund: Die dazu gehörenden Nutzerdaten lagen den Providern nicht mehr vor, weil diese die Regelungen zu den gesetzlichen Mindestspeicherfristen nicht umsetzen.

Die fehlende Umsetzung der Mindestspeicherfristen führt also weiterhin dazu, dass die Verbreitung von Kinderpornografie nicht so effektiv bekämpft werden kann, wie es bei einer Umsetzung der Regelung zu den gesetzlichen Mindestspeicherfristen möglich wäre. Damit können letztendlich auch Kinder in vielen Fällen nicht oder nur mit erheblichem Zeitverzug davor bewahrt werden können, Opfer sexueller Gewalt zu werden.

Innerfamiliäre häusliche Gewalt in Zusammenhang mit Corona
Zur aktuellen Lage im Zusammenhang mit Corona: Eine Zunahme von Gewalt oder Missbrauch im innerfamiliären häuslichen Umfeld lässt sich in polizeilichen Hellfelddaten aktuell nicht erkennen. Allerdings ist diese Datenlage mit großer Vorsicht zu interpretieren: Das Dunkelfeld ist groß und wir wissen nicht, ob die Corona-Beschränkungen zu einer weiteren Vergrößerung führen.
Corona ist eine Ausnahmesituation für alle Familien: Die räumliche Beengtheit, Existenzängste und familiäre Spannungen können dazu beitragen, dass Konflikte zu Hause eskalieren. Wenn Täter und Opfer kontinuierlich daheim sind, bestehen für die Kinder nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten unbemerkt auf Gewalterfahrungen aufmerksam zu machen, Anzeige zu erstatten und Hilfe von außen zu erhalten. Zudem fehlen die normalerweise entscheidenden Hinweis- und Unterstützungsgeber im sozialen Umfeld der Kinder, wie beispielsweise Erzieher, Lehrer oder Kinderärzte.

Es ist also nicht auszuschließen, dass die physische Isolation und andere Stressfaktoren im Zusammenhang mit Corona zu einer Erhöhung von Gewaltdelikten (darunter auch sexuelle Gewalt/sexueller Missbrauch) führen.
Neben einer Steigerung des Konsums von legalen oder illegalen Formen (Kinderpornografie) von Pornografie könnte es auch zu einem Anstieg von digitalen Sexualdelikten kommen (bspw. Versenden von sog. Dickpics). Die aktuell umfangreiche Nutzung des Internets bzw. von digitaler Kommunikation geht insbesondere bei Jugendlichen mit einem erhöhten Risiko einher, Opfer von Cybermobbing1 oder Cybergrooming zu werden: Beide Risiken werden dadurch verstärkt, dass aufgrund der sozialen Isolation möglicherweise eine erhöhte Bereitschaft besteht, persönliche Informationen, Sorgen oder Wünsche über digitale Wege mitzuteilen.

Das geht dann mit der erhöhten Gefahr eines Missbrauchs dieser Offenheit für Mobbing oder das Erpressen sexueller Interaktion einher.
Umso größer ist die Bedeutung von präventiven Maßnahmen und erhöhten Unterstützungsleistungen für Kinder, wie beispielsweise das Kommunizieren von Präventionsbotschaften im Bereich der sexuellen Gewalt über Rundfunk, Fernsehen sowie jugendaffine Social Media Kanäle (Instagram, Youtube) und das Bekanntmachen von Hilfsangeboten, die im Internet oder telefonisch wahrgenommen werden können (bspw. Hotlines).
Es ist wichtig, dass das soziale Umfeld trotz physischer Distanz aufmerksam bleibt und sich bei einem Verdacht an die Polizei oder an Beratungsstellen und das Jugendamt wendet.

Das BKA nimmt die aktuelle Lage sehr ernst und ist in enger Zusammenarbeit mit den Polizeien der Länder, aber auch mit den europäischen und internationalen Partnern kontinuierlich bemüht, belastbare Daten zu erheben, mögliche Tendenzen frühzeitig zu erkennen und den polizeilichen Einsatz im Kampf gegen Gewalt an Kindern aktiv fortzusetzen und der sehr dynamischen Entwicklung anzupassen.

Fazit
die meisten Straftaten gegen Kinder – Misshandlungen, sexueller Missbrauch – geschehen hinter verschlossenen Türen, fernab von der öffentlichen Wahrnehmung.
Deshalb gilt es – insbesondere in Zeiten von Corona, aber auch darüber hinaus – wachsam zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Jeder, der auf strafbare Handlungen an Kindern aufmerksam wird, sollte nicht zögern und Strafanzeige erstatten!
Unsere Kinder müssen wir für mögliche Gefahren sensibilisieren und zu einem sicherheitsbewussten Umgang mit dem Internet anleiten. Auch hierbei ist jeder Einzelne von uns gefordert.

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